Geschichte

Vorgeschichte

Der kaiserliche Gottesacker vor dem Schottentor, den 1570 die Hofkammer auf dem Platz der bürgerlichen Schießstätte – heute Areal des 8/9 Hofes des AKH – anlegen ließ, diente im 16. und 17. Jahrhundert auch als Bestattungsort für den Großteil der in Wien ansässigen Protestanten. Anfänglich machte man keinen Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten. Seit ca. 1600 wurden die Protestanten auf einem von der Stadt abgewandten, nördlichen Erweiterungsteil bestattet, der durch einen Bogengang vom anderen Friedhof getrennt war. Auch als Kaiser Karl VI. den Friedhof den Schwarzen Benediktinern vom Mont Serrat übertrug, blieb der Gebrauch aufrecht.

Unter Kaiser Joseph II. wurden 1783 weitere Bestattungen auf dem Friedhof untersagt und stattdessen der dem Schottenstift gehörige Gottesacker am Alsbach als Ersatz zugewiesen. Doch schon im November des gleichen Jahres erfolgte die Auflassung aller innerhalb der Linien liegenden Friedhöfe. Die Vorsteher der lutherischen sowie reformierten Gemeinden verzichteten auf die Errichtung eines neuen Gottesackers außerhalb der Linien und begnügten sich mit Bestattungen auf katholischen Friedhöfen “als Zeugnis ihrer Verträglichkeit und brüderlichen Liebe”. Diese Regelung blieb bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehen.

Erst die Konkordatsverhandlungen von 1854 aktualisierten das Thema wieder, denn der Nuntius hatte als Voraussetzung für das Konkordat die Lösung des Problems der gemeinsamen Friedhöfe.

Im Mai 1856 genehmigte Kaiser Franz Joseph I. einen Verordnungsentwurf von Kultusminister Thun-Hohenstein, der die Anlage konfessioneller Friedhöfe vorsah.

Aufgrund dieser Verordnung beschloss das “Vorsteher Kollegium der evangelischen Gemeinde A.C.” in seiner Sitzung am 25. Juli 1856 die notwendigen Voraussetzungen zur Errichtung eines Friedhofes zu schaffen. Ein Komitee, dem Superintendent Ernst Pauer, Theodor Hornbostel und Hofrat von Salm für die lutherische Gemeinde sowie Superintendent Gottfried Franz, Hofrat Emerich von Szent-Györgyi und Hermann Bonitz für die reformierte Gemeinde angehörten, sollte die notwendigen Schritte in die Wege leiten. Man erwarb von der Stadt Wien bzw. der Südbahn Gesellschaft 4 Joch 1076 Quadrats-Klafter Grund (268,92a) vor der Matzleinsdorfer Linie, zwischen Badner Straße und dem Weg nach Simmering, um 1 Gulden pro Quadratklafter. Dieser Kauf war erst durch die Schleifung des Linienwalls und die Freigabe dieses Grundes möglich geworden.

Der Friedhof

Auf dem Grundstück sollte eine Grabkapelle mit Turm und Glocke, ein Haus für den Totengräber, ein weiteres Gebäude für die Leichenkammer und die Aufbewahrung der Gerätschaften, sowie ein marmornes Kreuz errichtet werden. Als Umfriedung war eine Steinmauer vorgesehen. Die Kosten zur Realisierung der Anlage, die man auf 60.000 bis 65.000 Gulden schätzte, teilten sich die beiden Gemeinden entsprechend der Mitgliederzahl im Verhältnis 3:1. Da aber beide Gemeinden nicht über genug Mittel verfügten, traten sie mit Spendenaufrufen an die Gemeindemitglieder heran.

1857 berichtete das Komitee über den Baufortschritt und dass man mit 1. Dezember einen Totengräber aufgenommen und die Tarife festgesetzt habe.

Die Einweihung

Am 7. Mai 1858 erfolgte die Einweihung des Friedhofes. Zu Beginn der Feierlichkeiten überreichte Theophil Hansen, der Planer der Anlage, den Vorstehern der beiden Gemeinden die Schlüssel zu den Friedhofstoren. Superintendent Franz hielt die Festrede, Superintendent Pauer sprach das Weihegebet und nahm Weihe und Segen vor.

Nach der Teilung der Wieden gehörte der Friedhof ab 1861 zu dem neuen Bezirk Margareten. 1874 erfolgte die Ausgliederung der jenseits des Gürtels gelegenen Flächen in den neu geschaffenen Bezirk Favoriten.

Die Belegung des Friedhofes erfolgte so rasch, dass eine Erweiterung um 3 Joch (170 a) notwendig wurde. Dennoch berichtete das Komitee, dass die Gemeinde Wien eine Schließung des Friedhofs mangels Belegmöglichkeit erwäge. Einen weiteren Grundstückskauf für die Errichtung eines Krematoriums und eines Urnenhaines lehnte die Stadt Wien ab. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Friedhof durch Bombentreffer beschädigt. Derzeit wird der Matzleinsdorfer Friedhof noch immer belegt.