Christuskirche Matzleinsdorf

Friedhofs- und Evangelische Pfarrkirche „Christuskirche“ A.B. Wien-Favoriten

Die beiden evangelischen Gemeinden Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses in Wien besaßen schon früher einen eigenen Begräbnisort innerhalb der Linien, und zwar dort, wo heute die Votivkirche steht. Im Jahre 1783 aber wurde die Verlegung sämtlicher Friedhöfe vor die Linien Wiens angeordnet, und man hat es den Evangelischen freigestellt, die vorhandenen Friedhöfe mit den Katholiken gemeinsam zu benutzen, wenn sie es nicht vorzögen, eigene Friedhöfe anzulegen. 70 Jahre lang hat man ab diesem Zeitpunkt die Begräbnisorte gemeinsam genutzt, bis durch einen Erlass im Jahre 1856 darauf gedrungen wurde, eigene Evangelische Friedhöfe anzulegen. Infolge dieser Verordnung erwarben die beiden Evangelischen Gemeinden einen Platz vor der Matzleinsdorfer Linie südlich von Wien und beschlossen, hier einen Friedhof anzulegen.

Die gesamte Anlage wurde von dem Wiener Architekten Theophil Hansen (1813-1891) geplant. Er wollte eine harmonische Einheit von drei Gebäuden schaffen: Wohnung des Totengräbers (heute Pfarrhaus), Kirche und Leichenhaus (heute Friedhofsverwaltung). Die drei Gebäude sind ganz in Ziegelrohbau ausgeführt. Der Grundriss bildet ein in ein Quadrat beschriebenes und dem Eingang gegenüber von einer Apsis abgeschlossenes Kreuz, mit vier die Kuppel tragenden Säulen in der Durchschneidung der gleich langen Arme, wodurch sich der rationelle Organismus ausspricht, den man bei allen Kirchen byzantinischen Stiles findet.

Die roten und gelben Ziegeln des Mauerwerks der drei Gebäude sind aus dem großartigen Etablissement des Herrn Heinrich Drasche zu Inzersdorf am Wiener Berge in der Nähe von Wien. Sämtliche Gesimse und Ornamente der Kapelle bestehen aus gebranntem Ton aus derselben Fabrik.

Am 24. September 1899 wurde die Kapelle durch Einbau von Kanzel, Emporen und Altar in eine Gemeindekirche umgewandelt und in einem Eröffnungsgottesdienst ihrer neuen Bestimmung als Predigtstelle der Gemeinde Landstraße zugeführt. Erst im Jahre 1924 fand dann die Gründung der Gemeinde Wien-Favoriten statt.

Über dem Eingang an der Fassade ist der Turmaufsatz mit den zwei Glocken. Er ist gekrönt von einem Kreuz in der Mitte und von vier kleinen Terrakottatürmchen, welche die gleiche Ornamentik aufweisen wie die restlichen 12 Türmchen der Kirche. Die beiden Glocken tragen folgende Inschriften: Links: „Trachtet nach dem, was droben ist“ (Kol 3,2); gegossen wurde sie von Josef Pfundner, Wien X. Rechts: „Ehre sei Gott in der Höhe, 1925“.

Das auf Goldgrund ausgeführte Freskobild über dem Eingangsportal, den Engel am Grabe Christi darstellend von dem Maler, Radierer und Kupferstecher Karl Rahl (1812-1865), von dem leider weder Zeichnung noch Fotografie die Zeiten überdauert haben, ersetzte wahrscheinlich bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ein unbekannter Künstler durch ein Mosaik, ebenfalls auf Goldgrund. Es zeigt den segnenden Christus.

Die Einladung, die auf dem Schriftband zu lesen ist, gilt jedem Kirchenbesucher: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ (Math 11, 28)

Im Inneren:

In der Kirche sind insgesamt 35 Engelfiguren zu finden, die den Besucher vom Eingang bis unter die Kuppel begleiten.

Die vier fast lebensgroßen, geschnitzten Engel, die uns am Eingang empfangen, erinnern an Galionsfiguren auf alten Segelschiffen. Sie sollen uns den Weg ins Innere weisen. Zwei Engel stehen mit ihrem Gestus für das Gebet und die Anbetung. Die beiden Engel der anderen Seite sind lehrend (links) und verkündend (rechts mit der Schriftrolle) dargestellt.

Den Mittelpunkt der über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes aufgebauten Kirche bildet der Platz direkt unterhalb der Kuppel.

Schaut man von dort nach oben, erkennt man in den Zwickeln die vier Evangelisten mit ihren jeweiligen Symbolen:

Der menschenähnliche Engel ist das Symbol des Matthäus und steht für die Menschwerdung Christi.

 

 

 

 

Der Löwe als das Symbol des Markus charakterisiert die Stärke und das Königliche.

 

 

 

 

Der Stier steht für Lukas und bezeichnet das Priestertum.

 

 

 

 

Der Adler ist das Symbol des Johannes und demonstriert das Herabkommen des Heiligen Geistes.

 

 

 

 

Die Fenster in der Christuskirche:

Über die ursprüngliche Verglasung der Kirche zur Zeit ihrer Erbauung gibt es keine verfügbaren Unterlagen. Reste von Buntverglasung auf Höhe der Empore und hinter der Orgel lassen darauf schließen, dass zumindest ein Teil der Fenster farbig gewesen sein wird. Dies müssen jedoch bald durch milchweiße Gläser ersetzt worden sein.

Durch die Bombardierung Favoritens am Ende des Zweiten Weltkrieges nahm auch die Christuskirche Schaden – vor allem die Fensterscheiben und ein Großteil der Schindeln auf der Kuppel wurden zerstört. Bis zur Jahrhundertfeier 1961 waren diese Schäden aber wieder behoben. Ab 1968 begann man, neue Kirchenfenster einzusetzen.

Der Wiener Glaskünstler Prof. Günther Baszel (1902-1973 wurde auch hier in einem Grab beigesetzt) schuf die Entwürfe für die Fenster in der Apsis und für vier weitere Fenster.

Das Mittelfenster im Altarraum stellt die Kreuzigung dar. Weil die Fenster der Apsis sehr schmal sind, hat man das Kreuz in Holz auf das Mittelfenster aufgesetzt. Später wurde ein aus Kupfer getriebener Korpus darauf angebracht. Die beiden Seitenfenster stellen das Weihnachts- und das Ostergeschehen dar.

Mit der Einsetzung der Apsisfenster konnte auch die Harmonie des Altarraumes wieder hergestellt werden, die durch die Zumauerung des Mittelfensters über Jahrzehnte gestört war. Am Reformationsfest 1968 wurden die drei Fenster ihrer Bestimmung übergeben. Sie weisen wie eine Bilderbibel mit Geburt, Kreuzigung und Auferstehung den Weg zur Rettung der Menschen auf.

1971 wurden vier weitere, von Prof. Baszel entworfene Glasfenster an den Seitenwänden rechts und links vom Altarraum angebracht.

Auferweckung des Lazarus (Joh 11,1-45)

Auferweckung des Jünglings zu Nain (Lk 7,77-16)

Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31)

Auferweckung der Tochter des Jairus (Mk 5,35-43)

Die vier restlichen Glasfenster wurden von Prof. E. Bauernfeind gestaltet und von der Firma Dürr ausgeführt, nachdem Prof. Günther Baszel am 5. Februar 1973 verstorben war.

Am 28. April 1989 konnten die ersten zwei Fenster eingesetzt werden; die restlichen beiden folgen im Jahre 1990.

Erweckung des Eutychus (Apg 20,7-12)

Erweckung des Sohnes der Schunemiterin (2. Buch der Könige 4,32-37)

Die Auferweckung der Tabita (Apg 9,36-43)

Predigt der Apostel Petrus und Johannes von der Auferstehung Jesu von den Toten (Apg 5,29-33)

Chronik

1858-1860 Bau der Christuskirche nach den Plänen des Architekten Theophil Hansen.

1899 Umwandlung der evang. Friedhofskirche durch Einbau von Empore, eines Altares und der Kanzel in eine Predigtkirche – Wien-Landstraße.

1924  1. Jänner 1924 wurde Favoriten selbstständig

1966 August: Innenrenovierung der Christuskirche

1968 März: in der Christuskirche wird das mittlere Apsisfenster montiert (nach Entwurf von Prof. Günther Baszel). Zum Reformationsfest werden zwei weitere Fenster in der Apsis montiert

1974 Die Christuskirche wird neu ausgemalt, die Steinsäulen und Pilaster werden renoviert, neue Beleuchtungskörper und eine Schwerhörigenanlage werden angeschafft.

1989 April: zwei weitere Kirchenfenster werden montieret.

1990 Die noch fehlenden Glasfenster werden eingesetzt.

1992 Schäden an der Kirche: Terrakotta-Verzierungen, Kircheneingang und Kuppel undicht, Türmchen werden abgetragen.

1996 Mai: Beginn der Sanierungsarbeiten.

1996 Oktober: Komplettsanierung der Kuppel mit Originalschieferplatten.

1997 Die Fenster auf der Empore wurden zusätzlich mit künstlerisch gestaltetem, opalisierendem weißen Glas mit rubinrotem Rand gestaltet. Im Herbst 1997 wurde die alte Orgel abgetragen.

1998 13. November: Die Dachlaterne wird wieder montiert. Die oberste Spitze ist vergoldet, darin eingeschlossen ist eine Urkunde mit den Unterschriften der für die Sanierung verantwortlichen Mitwirkenden (Dublette vgl. Chronik der Gemeinde)

1999 am 24. September jährte sich zum 100ten Mal die Umwandlung der Christuskirche in eine Predigtkirche. Am 1. Jänner 1999 war die Gemeinde der Christuskirche 75 Jahre eigenständig

2001 Anlässlich des Abschlusses der Generalsanierung wurde am 23. September in einem Festgottesdienst eine Gedenktafel öffentlich enthüllt.